Samstag, 2. Juli 2016

Wind in der Weide



Es hat mir fast das Herz gebrochen als ich sie so sah, der Stamm geknickt und zerborsten, ihre Krone abgesägt am Wegesrand liegend weil sie die Durchfahrt versperrte : die alte, knorrige Weide, mein Lieblingsbaum, beinahe am Boden zerstört vom Unwetter der vergangenen Woche

Ich erinner mich noch an den Tag, an dem ich sie entdeckte. Es war ein kalter, grauer Wintermorgen, ich radelte den Weg an dem sie steht zum ersten Mal. Ihre markante Gestalt fiel mir sofort auf und ich war überrascht und beeindruckt, daß sich aus diesem, zur Hälfte zerschlagenem Stamm, eine kleine Baumkrone entwickelt hat, daß überhaupt noch Leben in ihr war !

Seither führen mich meine Wege immer wieder zu ihr, bei Wind und Wetter, zu allen Tages- oder Jahreszeiten; wie viele Stürme und Unwetter haben ihr zugesetzt, wie viele heiße Sommer hat sie überstanden . . . .  wer weiß 
Ihre Krone strebte weiter dem Himmel entgegen und auch in diesem Frühjahr trieb sie wieder kräftig aus. 

Sie wirkte in ihrer Versehrtheit weder stolz noch erhaben viel eher schien die standhafte, alte Weide den Umständen zu trotzen und zu bekunden : seht her, ich bin alt und vom Leben gezeichnet aber ich lebe ! 

Ich weiß, Weiden sind eigentlich unverwüßtlich, trotzdem berührt mich ihr zerschlagener Anblick zutiefst. Doch diese knorrige Weide mit ihrer alten Seele, sie wird weiterleben, sie wird wieder ausschlagen und allen Wettern trotzen und der Wind wird wieder durch ihre Zweige streifen und raunen wie in uralter Zeit!

Angelika